In meinen Seminaren schlage ich meinen Teilnehmern zwischendurch gern körperbetonte Methoden vor, wie das Schreiben mit der schwächeren, schreibungewohnten Hand – ein Schreibstimuli, das sich mit ungeahnten Kräften auf unsere Wahrnehmung auswirkt.
(Kleine Notiz am Rande: Für den Rechtshänder ist die schreibungewohnte Hand die linke, für den Linkshänder die rechte Hand ;-)).
Die Methode: Das Schreiben mit der schreibungewohnten Hand
Wenn der Ideenfluss plötzlich stockt, nichts mehr weiterzugehen scheint oder man unkonzentriert ist, nimmt man einfach ein Blatt Papier und einen Stift und schreibt alles auf, was einem zu dem Thema, an man gerade arbeitet, einfällt.
Allerdings nimmt man den Stift nicht in die Hand, mit der man normalerweise schreibt, sondern in die andere. Dann beginnt man mit dem Schreiben. Ja, es geht langsam voran. Aber das ist ok. Lasst euren Ideen freien Lauf und schreibt alle Eingebungen ohne Zensur auf das Blatt; mögen die Worte und Formulierungen noch so seltsam oder unbrauchbar klingen – schreibt sie einfach auf. Wie beim klassischen Freewriting.
Was passiert?
Indem man mit der schwächeren Hand schreibt, regt man die Koordination der beiden Hirnhälften – und damit die Kreativität – an.
Warum? Unser Gehirn ist in zwei Hemisphären, Hälften geteilt. Beide Seiten haben spezielle Aufgaben und Fähigkeiten: während die linke Seite insbesondere für das rationelle Denken und die Logik zuständig ist, ist die Aufgabe der rechten Hirnhälfte komplexer. Sie denkt in Bildern und Farben, intuitiv und ganzheitlich. Obwohl natürlich beide Gehirnhälften benutzet werden, gibt es bei jedem Menschen eine Seite, die bevorzugt und damit stärker eingesetzt wird.
Für das Schreiben bedeutet das: Da Hände und Hirnhälften überkreuz koordiniert werden, wird bei Rechtshändern die linke Hemisphäre mehr beansprucht als die rechte und vice versa. Wenn wir bei dieser Übung dazu übergehen, mit unserer schreibungewohnten Hand zu schreiben, sorgen wir dafür, dass die bisher vernachlässigte Hirnhälfte mehr genutzt wird. Oft entstehen auf diese Weise ganz neue, ungeahnte Ideen und Bilder.
Darüber hinaus geschieht das Schreiben mit der schwächeren Hand langsamer als das Schreiben mit der gewohnten Hand. Für die Bilder und Ideen, die in unseren Gedanken entstehen, bedeutet diese aufgezwungene Langsamkeit, dass sie Zeit haben, sich zu entfalten. Die Kreativität ist wieder im Fluss. Wer möchte, kann bei einem sich aufdrängenden Bilder- und Ideenstrom wieder zur schreibgewohnten Hand wechseln, um alle Einfälle in einem freien Schreiben schneller auf Papier bannen zu können.
Literaturquellen:
Werder, von/Schulte-Steinicke 2008: Schreiben von Tag zu Tag. Düsseldorf: Patmos-Verlag.
Seiwert, Lothar J. 2011: Wenn du es eilig hast, gehe langsam. 15. durchgesehene Auflage, Frankfurt/Main: Campus Verlag.