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28 - Autoreninterview mit Ralf Gebhardt

(c) Sören Bley
(c) Sören Bley

Ralf Gebhardt, 1968 geboren, studierte Ökonomie und arbeitet als Banker. Mit seiner Familie lebt er in Mitteldeutschland und schreibt Thriller, Krimis und Kurzgeschichten. Bereits als Kind liebte er das Lesen und Schreiben. Seine Eltern forderten ihn mehr als einmal auf, statt im Zimmer über den Büchern zu hocken, an die frische Luft zu gehen. Er, ganz pfiffig, schnappte sich Buch und Fußbänkchen, hockte sich direkt neben die Eingangstür und las unbekümmert weiter. 

Ralf Gebhardt ist aktives Mitglied im BVjA (Bundesverband junger Autoren und Autorinnen e.V.), im VS (Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller) sowie der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur – SYNDIKAT.

Von ihm sind bisher die Thriller „Ich schenke dir den Tod“ (2017), „Ich schenke dir den Schmerz“ (2018) und „Ich schenke dir die Angst“ (2019) um den halleschen Kriminalhauptkommissar Richard Störmer erschienen. „Tränenrot“ (2021) ist sein neuester Roman.

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Lieber Ralf, danke für die Zeit, die du dir für das Interview mit mir nimmst. Wir haben schon einmal zusammen ein Interview gemacht, damals erschien dein Debütroman „Ich schenke dir den Tod“ (hier nachzulesen).

Seitdem ist viel passiert, du hast Richard Störmer weiter ermitteln lassen. Doch nun hat ein neues Kapitel begonnen. Du begleitest ab sofort eine Frau bei ihrer Arbeit: Sophie Schellenberg. Kannst du in eigenen Worten erzählen, worum es in Tränenrot geht?

 

Es geht um junge Polizistinnen, frisch ausgebildet. Das Schicksal wirft sie gleich bei ihren ersten Einsätzen in die Arme der halleschen Mafia, sie kämpfen einen spannenden und ungleichen Kampf, den sie sich so nicht vorstellen können. Na ja, und es geht neben dem Bösen auch um die Liebe und das Gute.

 

Wie war der Schreibprozess für dich bei diesem Roman? Immerhin hat dich Störmer eine Weile begleitet.

 

Ich wollte etwas anderes machen, hatte Lust darauf, komplett neue Figuren zu entwickeln. Vorher gab es als Hauptfigur einen Kriminalhauptkommissar, deshalb habe ich mich bewusst für weibliche Ermittler entschieden. Die Grundidee hatte ich, als ich auf einer Familienfeier neben der Tochter einer Freundin saß. Die war gerade fertig mit der Polizeiausbildung. Und sie hat mir geduldig alle meine Fragen beantwortet. Abgesehen davon habe ich mir mehr Zeit mit der Plot-Entwicklung gelassen. Ich wusste, dass ich unbedingt ein starkes Gerüst brauche, zu dem ich jederzeit zurückkehren kann. Außerdem habe ich bewusst versucht, auf einen „Sinn“ in einigen Kapiteln besonders zu achten (schmecken, riechen, fühlen etc.), um den Leser bzw. die Leserin näher in die Geschichte zu ziehen.

Ach so, ja, Störmer hat mich nicht losgelassen. Also habe ich ihm und seiner Tochter „Gastrollen“ gegeben.

 

Wie ist deine neue Figur Sophie Schellenberg entstanden?

 

Ich wusste, dass es eine junge Polizistin wird. Begonnen habe ich mit einem Figurenblatt, mit dem Aufschreiben von Äußerlichkeiten und Charaktereigenschaften. Geachtet habe ich dabei darauf, dass Sophie sich im Laufe der Handlung entwickeln kann. Es brauchte also auch ihre Schwächen. Dann habe ich gleich weitere Figuren angelegt (und dabei überlegt, wie sie mit Gegensätzen und Gemeinsamkeiten interagieren). Neu war diesmal, dass ich mir für jede Figur ein passendes Gesicht aus dem Internet gesucht habe. Das hat Spaß gemacht, ich konnte sie sozusagen von nun an immer vor mir sehen.

 

Mit welchen persönlichen Schwierigkeiten ist Sophie Schellenberg konfrontiert?

 

Sie trifft als junger Mensch auf das Böse, auf Gier, Erpressung, Folter, Drogen und Mord. Viel zu schnell ist sie im Visier der Mafia. Sie verliebt sich und muss erleben, wie geliebte Menschen sterben. Das Leben ist ganz bestimmt nicht immer fair zu ihr.

 

Was macht sie besonders?

 

Sie ist schön, ohne sich darauf etwas einzubilden, hat Ideale und viele gute Charakterzüge. Schwächen natürlich auch. Sie achtet auf andere, nimmt keine Rücksicht auf sich selbst, vertraut ihrem Instinkt. Ihre Kraft zieht sie aus ihren Freundschaften und ihrem unbedingten Wunsch, Gutes zu tun. Und außerdem wächst sie mit ihren Aufgaben.

 

Was würde Sophie antworten, wenn ich sie danach frage: Was motiviert dich, bei der Polizei zu sein?

 

Ich will Menschen helfen und Verbrecher zur Strecke bringen. Ich möchte die Welt ein kleines Stück besser machen, glaube an das Gute im Menschen, will den Schwachen helfen und den Opfern Gerechtigkeit geben.

 

Wie auch in deinem Debütroman spielt Schloss Mansfeld eine Rolle. Du magst dieses Ort, nicht wahr?

 

Ja, Schloss Mansfeld liegt in meiner Heimat. Es strahlt Ruhe und Gelassenheit aus, hat viele Generationen gesehen, Gutes und Böses „erlebt“. Ich kann mir gut vorstellen, dass es für Besucher Momente gibt, in denen es scheint, als sei die Zeit stehen geblieben.

 

Das Regionale in deinen Büchern einzubinden, ist dir grundsätzlich wichtig, das hat sich nicht geändert. Was macht die Menschen in deiner Heimat aus?

 

Sie hatten es nicht immer einfach, waren in vielen historischen Ereignissen überdurchschnittlich benachteiligt. Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Vielleicht kann man sagen, dass sie einen ganz besonderen Charme entwickelt haben, eine Art raue, ruhige Herzlichkeit, die man nicht auf den ersten Blick erkennt.

Die (realen) Orte in meinen Büchern beschreibe ich möglichst so, dass sie sofort wiederzuerkennen sind, wenn man sie besucht. Na ja, und manchmal nehme ich mir die Freiheit, sie ein wenig so zu verändern, wie es meine Geschichte möchte.

 

Wenn du „Tränenrot“ einer Farbe zuordnen müsstest, welche Farbe würdest du wählen und warum?

 

Ein wenig von der Antwort steckt ja schon im Titel. Wahrscheinlich ist es eher ein Farbverlauf, von Schwarz über Violett nach Dunkelrot. Das passt zum Thriller und deutet zusammen mit den Tränen auf das Böse hin.

 

Seit unserem letzten Interview hast du dich als Autor weiterentwickelt. Was würdest du deinem Autoren-Ich von 2017 heute raten?

 

Schreib und lies, glaub an dich, mach weiter. Stecke dir kleine und große Ziele, plane. Wenn sich die Bedingungen ändern: dann plane um. Vernetze dich mit Freunden, hör auf die Profis. Hilf, wo es möglich ist, dann kannst du dich darauf verlassen, dass man auch dir Rat gibt. Und besonders: Nimm Absagen und Rückschläge nie persönlich, nie. Steh auf, halte dich an deinen Plan.

 

Welche drei Worte beschreiben deine Autorenpersönlichkeit?

 

Hm. Also okay, wenn ich drei Worte habe:

Langzeitvertrauen, Thrillerverliebt, Dankbar.

 

Du planst und plottest deine Romane. Welchen Vorteil siehst du im Plotten?

 

Es gibt der Grundidee gleichzeitig den Rahmen, das Ziel und die Schreibfreiheit. Mit einem Plot weiß ich, dass ich das Manuskript zu Ende schreiben kann. Ich weiß grob, wie sich die Figuren entwickeln und wie die Geschichte zu Ende geht. Dieses Gerüst zeigt den Spannungsrahmen. Ich kann die Idee daraufhin abklopfen, ob sie funktioniert. Es ist für mich die sichere Heimat, zu der ich jederzeit zurückkommen kann. So weiß ich beim Schreiben immer, wo ich gerade bin und wie es weitergeht, vermeide offene und für mich komplett unvorhersehbare Handlungsstränge. Dabei weiß ich, dass die Figuren später trotzdem ein spannendes Eigenleben entwickeln. Und das ist für mich gut so.

 

Was machst du, wenn du einen Roman abgeschlossen hast?

 

Ich warte zunächst auf das Lektorat. Die Figuren begleiten mich noch sehr sehr lange. Ich lese bewusst andere Thriller, um in deren Handlung zu versinken und mich vom eigenen Projekt zu lösen. Und dann freue ich mich auf die späteren Lesungen, den Kontakt zu den Leserinnen und Lesern sowie den Buchhändlern live vor Ort. Daneben gibt es auch Online-Leserunden, wie z.B. Lovelybooks. Daraus entstehen viele schöne Momente, ich erfahre, was gefallen hat und wo es noch Reserven gibt.

Und nach und nach kommen Ideen für das nächste Projekt.

 

Wie wird es mit Sophie weitergehen?

 

Das weiß ich noch gar nicht. Vielleicht bringt mich das Feedback von Leserinnen und Lesern auf eine Idee.

Nachdem es in Tränenrot vorwiegend um weibliche Ermittler ging, denke ich gerade über ein gegensätzliches Männer-Duo nach, das einen Serientäter jagt.

 

Mit welcher Persönlichkeit würdest du dich gern einmal austauschen?

 

Mit möglichst vielen erfolgreichen Schreiberinnen und Schreibern von Thrillern, Krimis und Geschichten. Deshalb freue ich mich, wenn ich Gleichgesinnte (z.B. vom BVjA zur Messezeit bzw. bei Seminarbesuchen) oder auf der Criminale, Europas größtem Krimifest, treffen kann.

 

Welchen Rat hast du für angehende Autoren?

 

Gib nicht auf, schreib das, was du selbst gern liest. Setze Prioritäten. Entwickle einen Plan und erlaube dir, diesen immer wieder anzupassen. Lerne vom Handwerk soviel wie möglich, z.B. durch Schreibratgeber, Seminare, Fachforen im Internet und persönliche Treffen. Sei Teil eines wunderbaren Netzwerkes. Höre auf die Profis. Nur wer dranbleibt, findet seinen eigenen Weg.

 

Hier findet ihr Ralf im Internet:

 

https://www.ralf-gebhardt.de

insta: @ralfgebhardtautor